Wünschendorf Radomice (Kreis Löwenberg)

Radomice ist ein Dorf im Kreis Gmina Wlen' im Landkreis Lwowek Slaski in der Woiwodschaft Niederschlesien im Südwesten Polens.

Es liegt etwa 5 km südwestlich von Wlen, 14 km südlich von Lwowek Slaski und 100 km westlich der Regionalhauptstadt Wrocław.

Bild: Radomice Wünschendorf Kreis Löwenberg
Radomice Wünschendorf Kreis Löwenberg
Bild: Radomice Wünschendorf Polen Karte
Radomice Wünschendorf Polen Karte
Bild: Radomice Wünschendorf Kreis Löwenberg
Radomice Wünschendorf Kreis Löwenberg

Wann der Ort gegründet worden ist, konnte nicht festgestellt werden. Er ist jedenfalls sehr alt. 1427 wurde der Ort von den Hussiten sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Im November 1553 brannten 13 Wohnungen nieder. 1598 verkaufte Balthasar von Schaffgotsch auf Kynast Lehnhaus nebst Wünschendorf und Klein-Mauer an Conrad von Zedlitz auf Wiesenthal. Der Lehnsbrief wurde am 29. Januar 1599 zu Schweidnitz ausgefertigt. 1757 stand in Wünschendorf General Seidlitz mit seiner Armee.

Am 9. September 1759 übernachtet Friedrich der Große im evangelischen Predigerhaus. 1813der französische General Meunier brandschatzte die Gemeinde um 120 Taler Tafelgelder unter Zusicherung der Verschonung mit Einquartierung. Dessen ungeachtet musste der Ort eine Woche danach halb verhungerte Soldaten aufnehmen und verköstigen. Sie selbst benahmen sich nicht gerade löblich.

(aus: Heimatbuch des Kreises Löwenberg in Schlesien)


Teile der Inneneinrichtung der evangelischen Kirche im Saal des Gerichtskretschams ?


Einweihung der Informationstafel in Wünschendorf (Radomice) am 20. September 2015

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Wünschendorf - ein „verlorener“ Ort (geschrieben November 1997) von Doris Baumert

Im Hauptinteresse meiner Ahnen- und Familienforschung steht seit ca. zwei Jahren der Ort Wünschendorf als Heimat der väterlichen Linie. Wünschendorf - ein Ort, wie er idyllischer nicht liegen kann; von einem Tal über eine Erhebung runter ins andere Tal gelegen, mit einem herrlichen Blick auf das Gebirge. Wünschendorf - ein Ort, in dem seit Ortsgründung Ackerbau und Viehzucht die wichtigsten Nahrungszweige waren. Auch Obst gedeiht hier sehr gut. Eine große Rolle spielte Jahrhunderte lang die Kalkbrennerei; den Besucher von Wünschendorf wird es freuen, dass der Kalkofen im Nordwesten von Wünschendorf noch existiert.

 

Das genaue Gründungsjahr von Wünschendorf ist nicht mehr zu ermitteln. In alten Schöppenbüchern wurde Wünschendorf als Windischendorf, Wintschdorf, auch Wynszchendorf benannt. Windischendorf = Dorf der Winden oder Wenden, also deutschen Ursprungs. Das älteste zu ermittelnde Datum ist das Jahr 1424, in dem das Dorf Heinze von Mosenau (Mezenaw) zu Matzdorf gehörte. Den Schöppenbüchern ist sicherlich weit mehr zu entnehmen als die alten Namen, aber wo sind sie - verloren?

Johann Georg Thomas, der von 1816 bis 1849 Pastor in Wünschendorf war, hat uns mit seinen „Geografischen und historischen Nachrichten von Wünschendorf“ aus dem Jahr 1819 und der „Wünschendorfer Jubelfreude wegen der vor hundert Jahren wiedererlangten Religionsfreiheit“ aus dem Jahr 1841 wichtige Informationen hinterlassen. Besonders schön ist seine Ausführung über den Charakter der Wünschendorfer: „Sie sind im allgemeinen gottesfürchtig. Bibel und Gesangbuch findet sich in jedem Haus. Dem Spiele ist niemand ergeben, dem Trunke huldigen nur wenige; an Tanzlustbarkeiten hat man keinen Wohlgefallen. Bettler gibt es gar nicht, der Wohlhabendere unterstützt mit menschenfreundlicher Milde den Armen. Durch Arbeitsamkeit, Friedfertigkeit, Mäßigkeit und Keuschheit zeichnet sich der größte Teil der Einwohner vorteilhaft aus.“

 

Pastor Thomas hat sich auch intensiv mit dem sog. „Gesundbrunnen“ im Pfarrgarten beschäftigt, denn er berichtet uns Folgendes:

„Das Quellwasser ist von vorzüglicher Güte. Ja, die Sage meldet: dass in früherer Zeit hier ein Gesundbrunnen entdeckt worden sei, den aber der Ortsgeistliche wieder verschütten ließ, aus Besorgnis, die hiesigen Einwohner könnten an ihrer Sittlichkeit leiden, wenn der Ort zu einem Badeorte umgeschaffen würde... Auf diese Sage gestützt ließ ich vergangenen Sommer Nachgrabungen anstellen und fand glücklich, was ich suchte, in meinem Garten. Der Brunnen war noch völlig ausgemauert und sein Wasser verriet sogleich Mineralteile. Es schmeckte wie Tinte, färbte Fernambukpapier violett und gab mit ein wenig Zutat von Galläpfeln augenblicklich ein purpurrotes Ansehen. Nach vorläufiger Untersuchung enthält dies Wasser: Eisenteile, Kalkerde, Kohlensäure und salzsaure Salze. Auch in der großen Kälte vom 7ten bis 8ten dieses Monats (gemeint ist der Dezember 1819) gefror es nicht im mindesten.“

 

Auch Johann Friedrich Feige, der erste evangelische Pastor in Wünschendorf nach Wiedererlangung der Religionsfreiheit, eingesetzt aufgrund eines Bittschreibens des Freiherrn von Grunfeldt auf Burg Lehnhaus an Friedrich den Großen vom 15.12.1741, hat zwei Jubelschriften über Wünschendorf und seine Bewohner verfaßt; diese sind trotz intensiver Suche in deutschen und polnischen Archiven und Bibliotheken leider nicht zu finden - sind sie auch verloren?

 

Natürlich ist es möglich, gewisse Informationen über Wünschendorf aus der schlesischen Literatur zu erhalten. So hatte Wünschendorf im Jahre 1863 mit 373 Einwohnern die höchste Besiedelung. Darüber hinaus können wir erfahren, dass es dort im Jahr 1900 52 Pferde, 73 Ochsen, 164 Kühe, 18 Schafe, 127 Schweine, 88 Ziegen, 64 Gänse, 20 Enten, 797 Hühner und 31 Bienenstöcke sowie 1.469 Apfel-, 372 Birnen-, 674 Pflaumen- bzw. Zwetschgen- und 1.283 Kirschbäume gab. Da Wünschendorf Kirchort war, lässt sich auch über das Kirchspiel, die katholische Kirche aus dem 15. Jahrhundert und das evangelischen Bethaus von 1745 viel Material zusammentragen. Doch wo sind die wirklich interessanten Informationen?

 

Eine Schlesien-Reise im April dieses Jahres diente hauptsächlich dem Auffinden der deutschen Akten über Wünschendorf. Drei Tage Forschungsarbeit im Hirschberger Staatsarchiv haben mich aber nicht weitergebracht. Das einzige Dokument, das ich finden konnte, ist die Abschrift einer Hypothekenkündigung der Lähner Stadthauptkasse an einen Wünschendorfer Einwohner vom 29.11.1900.

 

Sehr erfreulich ist aber das Vorhandensein von zwei evangelischen Kirchenbüchern: das Begräbnis-Buch von 1765 bis 1790 und das Taufbuch von 1876 bis 1913. Der Wünschendorfer Ahnenforscher weiß auch längst von der Existenz des Taufbuches von 1766 bis 1781, das in Berlin lagert. Auf die Frage nach weiteren Kirchenbüchern erhielt ich in Hirschberg jedoch nur ein Achselzucken - sollen sie wirklich verloren gegangen sein?

 

Nicht nur, dass Wünschendorf seit 50 Jahren für die Wünschendorfer verloren ist, und die Wünschendorfer durch die Vertreibung wie Millionen andere Schlesier ihr Hab und Gut und somit ihre Existenzgrundlage verloren haben. Auch Wünschendorf verliert - nämlich sein gewohntes Ortsbild: von den ehemals 73 Häusern und Bauernhöfen existieren heute nur noch 39, von den zwei Telefonanschlüssen nur noch einer. Es gibt noch ein Geschäft, aber ohne reguläre Öffnungszeiten. Dort wird täglich die Post abgegeben, ausgetragen wird sie nur dann, wenn die Rente gezahlt wird, und auf den Krankenwagen aus Löwenberg musste eine Polin kürzlich zwei Stunden warten.

Mein Vorhaben, die Ortsgeschichte von Wünschendorf aufzuzeigen und zu veröffentlichen, scheitert an nicht auffindbarem, also verloren gegangenem Informationsmaterial. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich das, was irgendwo noch vorhanden ist, in den nächsten Jahren finden werde! Doch dazu brauche ich Hilfe - die Hilfe aller Wünschendorfer. Denn nicht verloren gegangen sind sicherlich einige Zeitungsartikel, Fotos oder Ansichtskarten und vor allem nicht verloren gegangen sind die Erinnerungen der Wünschendorfer an ihre Kindheit, Jugend, besondere Feierlichkeiten u.s.w. Mit solcher Unterstützung, die ich teilweise von Wünschendorfern schon erhalten habe, ließe sich ein Heimatbuch für Wünschendorf zusammenstellen - damit die Erinnerung an Wünschendorf nicht verloren geht!

 

Doris Baumert


Fernweh (nach Wünschendorf)

 

Es ist ein wunderschöner, sonniger Wintertag. Die Luft ist mild und der erste Schnee hat sich über die Felder und Wiesen, über die herabgefallenen Blätter und den aufgeweichten Boden gelegt. Tanzende Schneeflocken begleiten mich auf meinem Weg, vorbei an den ersten Häusern. Zu meiner Linken, etwas oberhalb, sehe ich die Friedhofsmauer und denke an meine Oma und meinen Urgroßvater, die dort begraben liegen.

 

Kurz danach komme ich am Hof von Arlts vorbei, dann das Gebäude der ehemaligen katholischen Schule, das später im Besitz von Baumerts war, was ihnen den Namen „Schul-Baumerts“ einbrachte. Dahinter sehe ich den Kirchturm der katholischen Kirche; ein einfaches, aber denkwürdiges Gebäude aus dem 15. Jahrhundert. Mein Blick wendet sich nun dem evangelischen Bethaus zu, das die Wünschendorfer 1745 fertiggestellt haben. Die Bäume links und rechts der Tür laden geradezu zum Hineingehen ein, aber mein Ziel ist noch nicht erreicht.

 

Ich drehe mich kurz um für einen Blick durch die schneebedeckten Bäume auf den Glockenturm mit den drei Bronzeglocken, welcher 1927 der Stolz der evangelischen Gemeinde wurde.

 

An der linken Seite die Pfarrwiedemuth, als nächstes der „Gasthof zur Erholung“, den meisten als „Ausspann“ ein Begriff. Rechts von mir, auf einer Anhöhe, steht der Hof von Anders. Im Dach ist das Baujahr 1898 verewigt. Direkt an meinem Weg steht das Haus von Biens, seit 1902 im Familienbesitz und bereits 1743 als Wohnhaus für den evangelischen Prediger Johann Friedrich Feige erbaut. Es wäre schön, wenn die Heilquelle, die sich auf dem Grundstück befindet, den Wünschendorfern nutzen könnte.

 

Schräg gegenüber steht das jetzige Pastorenhaus und dahinter das Haus von Wilhelm Hilbig, der jahrzehntelang ein treuer Kirchendiener war. Inzwischen bin ich auch bei Reuners und Schöbels vorbeigekommen und sehe in einiger Entfernung vor mir das Schulgebäude. Wie viele meiner Vorfahren mögen dort das 1x1 gelernt haben?

 

Am Hof gegenüber verraten uns die Initialen „BK“ im Dach den Erbauer Bruno Kittelmann.

 

Mein Weg wird nun steiler und in einer Rechtsbiegung passiere ich den Hof von Friedrichs. Noch steiler geht es bergan und beschwerlicher, denn die Schneedecke lässt mich die Steine unter meinen Schuhen nicht erkennen. Noch ein Stück weiter, und ich habe mein Ziel erreicht. Ich gehe um das alte Häuschen herum zur Tür, doch ehe ich eintrete, schiebe ich den Schnee von der kleinen Bank und setze mich. Vor mir liegt der Teil des Dorfes, den ich gerade durchwandert habe. Mit der weißen Schneedecke wirkt es so friedlich, und wenn ich in weiter Ferne auf das Riesengebirge mit der Schneekoppe blicke, glaube ich, dass es nichts Böses auf der Welt geben kann.

 

Oft bin ich diesen Weg in meiner Fantasie gegangen und habe mir gewünscht, ihn nur einmal auch wirklich gehen zu können. Doch so, wie ich den Ort beschreibe, habe ich ihn niemals gesehen.

 

Die Friedhofsmauer zerfällt und die Gräber meiner Vorfahren sind, wie fast alle anderen auch, nicht mehr zu finden. Die ersten Häuser fehlen ebenso wie das evangelische Bethaus, an dessen Stelle sich heute ein Buswendeplatz befindet. Die alte katholische Schule ist eine Ruine und wird demnächst abgerissen. Der Glockenturm hat seine Bezeichnung nicht mehr verdient, denn nach der Konfiszierung der Wünschendorfer und Matzdorfer Glocken im 2. Weltkrieg wurde 1996 die Riemendorfer Glocke gestohlen. Schindlers und Biens Häuser sind zwar weiß getüncht, aber bei Schindlers hat man das Fachwerk gleich mit übergemalt. Von Hilbigs Haus gibt es keine Spur mehr, bei Reuners und Schöbels sind nur noch die Umrisse zu erkennen. 1998 bekam die Schule einen gelben Anstrich, doch damit hat sie nicht nur ihr schäbiges Aussehen, sondern auch ihren Charme verloren. Friedrichs Haus wirkt alt und verlassen, und mein Ziel, eines der ältesten Häuser im Dorf, gibt es natürlich auch nicht mehr. Doch wenn ich auf diesem Grundstück stehe, mit dem unbeschreiblichen Blick auf das Dorf und das Riesengebirge, verstehe ich das Heimweh der Wünschendorfer, und ich wünsche mir, mehr zu erfahren; mehr über das schwierige Leben in einem abgelegenen Dorf, mehr über ihre Gewohnheiten und mehr über ihre Häuser.

 

Lasst uns die Erinnerungen zusammentragen und festhalten - für die Wünschendorfer und für ihre Nachkommen, die sich vielleicht eines Tages genauso für das Leben ihrer Vorfahren interessieren werden, wie ich es tue.

 

Doris Baumert  „Stein-Baumert“  Januar 2000

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