Einige Ausführungen zur Schulglocke Wünschendorf im Erzgebirge
In einem „Nichtkirchendorf“, wie Wünschendorf, diente früher die Schulglocke nicht nur als Trauerglocke bei Todesfällen und zum Anschlagen der Uhrzeit zu jeder vollen Stunde, sie war vor allem als Alarmglocke bei auftretenden Katastrophen und Feuern sehr wichtig. Durch ihr erfuhren die Bauern und Forstarbeiter, dass sie sich umgehend zum Feuerlöschen im Dorf einfinden mussten. Eine Feuerwehr gab es ja noch nicht.
Das Foto zeigt unsere Schulglocke noch auf dem Turm der Oberschule Wünschendorf etwa 1975.
Diese Bronzeglocke wurde 1909, wie auf dem Schriftzug im nebenstehenden Bild zu erkennen ist, in der Gießerei Clemenz Albert Bierling in Dresden gegossen.
Im II. Weltkrieg sind einige Dutzend Bierling Glocken eingeschmolzen worden. In der Umgebung gibt es heute noch Bierling Kirchenglocken z. B. in Augustusburg, Clausnitz/Erzgebirge, Freiberg, St. Jakobi, Hormersdorf, Kemtau und der Schönfelder Kapelle.
(Quelle: Thümmel "Die Glocken in Sachsen")
Nun befand sich aber in Wünschendorf schon auf der „Alten Schule“ eine Glocke, welche der 1822 verstorbene Lehrer Christian Friedrich Enger geschenkt hat. Diese wurde wahrscheinlich 1876 oder 77 auf die neue Schule mit umgebaut. Warum sollte jetzt Wünschendorf die alte Glocke abnehmen und gegen die von 1909 ersetzen?
Wie kommt Wünschendorf zu einer Glocke mit dem Gießjahr 1909?
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die alte Glocke 1917 zur Kriegsmetallspende im Ersten Weltkrieg abgenommen werden musste. Später wurde dann diese Glocke mit dem Gussjahr 1909 irgendwoher gebraucht, eingekauft und wieder auf dem Schulturm eingebaut.(Vermutung)
Diese heutige Glocke wurde also ursprünglich nicht für Wünschendorf gegossen.
Nach neuen Forschungen von Volkmar Beger aus Chemnitz wird aber nun diese Vermutung jetzt widerlegt. Nach Einsicht in das Glockengießverzeichnis der Firma Bierling in Dresden konnte jetzt festgestellt werden, dass die Glocke 1909 als Auftragsguss hergestellt wurde. Unsere ehemalige Schulglocke hat demnach ein Gewicht von 105 kg und schlägt im Klangton „f“.
Warum 1909 eine neue Glocke gegossen wurde, ist nicht bekannt, aber es lässt vermuten, dass die erste von Lehrer Enger gespendete Glocke relativ klein war und den Anforderungen nicht mehr ganz gerecht wurde.
Damit ist also belegt, dass die Glocke direkt für Wünschendorf gegossen wurde und das Dorf über die Jahre großes Glück hatte, sie noch zu besitzen.
Wahrscheinlich war sie zu klein und der Aufwand zu groß, um als Metallspende in einem der beiden Weltkriege geopfert zu werden.
Wollen wir hoffen, dass sich die Einwohner von Wünschendorf noch recht lange an ihrem Klang erfreuen können?
Das Foto unten zeigt den Friedhof Wünschendorf im Oktober 1988.
In den frühen achtziger Jahren wurde die Glocke, laut Aussagen einiger Wünschendorfer dem Schulturm
wegen Mängeln am Glockenstuhl entnommen, eingelagert und glücklicherweise nicht verschrottet.
Durch die aktive Mitarbeit einiger Wünschendorfer, wie Harald Schröter, Christian Hähnel, Günter Hähnel, Kurt Schubert, Jürgen Findeisen und Christfried Brödner, wurde im September 1987 auf dem Friedhof in Wünschendorf ein hölzerner Glockenturm errichtet und am 1. Oktober 1987 eingeweiht.
Die Glocke wird heute handgeläutet und als Friedhofsglocke zu kirchlichen Festtagen und bei Trauerfeierlichkeiten benutzt.
Bei Herrn Volkmar Beger aus Chemnitz möchten wir uns recht
herzlich bedanken, denn seine unermüdlichen Forschungen haben sehr dazu beigetragen, die Herkunft unserer Schulglocke zu bestimmen.
Text: Reiner Teichler